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Vom Ende her denken! Woran es der deutschen Drohnendebatte mangelt

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von Niklas Schörnig

Die Ethik der Drohnen

Teil IV unserer Artikelserie zur Ethik der Drohnen

If knowledge can create problems, it is not through ignorance that we can solve them.
(Isaac Asimov)

Deutschland diskutiert über bewaffnete Drohnen. Endlich. Allerdings hat es den Anschein, als sei die Debatte nur noch ein Scheingefecht. Denn die Entscheidung, ob Deutschland auf den Drohnenzug aufspringen soll, ist im Wesentlichen gefallen, und die Beschaffung scheint nur noch eine Frage der Zeit. Vor allem ist es interessant zu sehen, welchen Einschlag die „Debatte“ inzwischen genommen hat. Mit seiner Aussage, Waffen seien „ethisch neutral“ (die er im Anschluss relativierte, aber bezüglich aktueller Drohnen aufrecht erhielt), hat Verteidigungsminister de Maizière die Debatte in eine Richtung gelenkt, bei der zentrale sicherheitspolitische Fragen, aber auch Fragen der ethischen Einordnung zukünftiger Drohnensysteme weitgehend unter den Tisch fallen. Verengt man die Debatte auf die Frage der ethischen Einordnung aktueller Kampfdrohnen, dann bietet sich als „objektiver“ Maßstab zunächst das Humanitäre Völkerrecht an. Waffen, wie z.B. Bio- oder Chemiewaffen oder Landminen, sind deshalb geächtet, weil sie gegen die fundamentalen völkerrechtlichen Normen der Diskriminierung (der Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilisten) oder der Proportionalität verstoßen. Drohnen sind zwar nicht so „chirurgisch“ präzise, wie es die Befürworter gerne hätten (nach Schätzungen des Bureau of Investigative Journalism ist ca. jeder vierte von Drohnen in Pakistan getötete Mensch ein Zivilist), aber ungenauer als andere Waffensysteme sind Drohnen sicher nicht. Und setzt man Drohnen nur im Rahmen völkerrechtlich zulässiger internationaler oder nicht-internationaler bewaffneter Konflikte ein, dann ist ihr Einsatz zulässig und völkerrechtlich nicht zu beanstanden.

Anders sieht es vermutlich bei den Einsätzen der USA in Pakistan, dem Jemen oder in Somalia aus. Hier herrscht zumindest unter europäischen Völkerrechtlern weitgehend Einigkeit, dass diese „gezielten Tötungen“ mutmaßlicher Terroristen gegen das Völkerrecht verstoßen. Es ist vielleicht ein zu großer Vertrauensvorschuss, aber es ist aktuell nicht davon auszugehen, dass die Bundesregierung solche Einsätze tatsächlich plant, sondern sich strikt an das geltende Völkerrecht halten wird.

Man kann aber natürlich auch andere ethische Maßstäbe ins Feld führen. Viele Menschen haben ein unangenehmes Gefühl bei der Vorstellung, dass ein Drohnenpilot aus großer Entfernung Menschen tötet. Da kommt schnell die Frage auf, was diesen Piloten denn von einem Aufständischen unterscheidet, der eine „feige“ Sprengfalle am Straßenrand platziert hat. Herfried Münkler deutet diesen Zusammenhang in seinem Beitrag zumindest an, wenn er von einer „resymmetrierende[n] Antwort“ spricht.

Und auch im Militär gab es historisch gesehen immer wieder Widerstände gegen Waffensysteme, die aus großer Distanz töten. Das galt z.B. nach der Einführung der weitreichenden Artillerie ebenso wie bei Scharfschützen, die noch bis in den Vietnamkrieg hinein sogar von eigenen Truppen gemieden und verachtet wurden. Allerdings zeigt die Geschichte auch, dass in allen diesen Fällen ein „normativer Wandel“ einsetzte und heute niemand mehr einen Artilleristen oder Scharfschützen kritisch beäugt. In den USA wurde inzwischen sogar ein eigener Orden für Drohnenpiloten eingeführt, um auch ihnen die Anerkennung des Staates für besondere Dienste ausdrücken zu können. Es ist deshalb zu vermuten, dass die deutsche Debatte über die ethische Dimension von Drohnen im Sande verlaufen wird, wenn von Seiten der Politik nur deutlich genug klargestellt wurde, dass bewaffnete Konflikte im Sinne des Völkerrechts die Linie darstellen, die bei Drohneneinsätzen nicht überschritten wird. Allerdings muss man festhalten, dass eine solche glasklare Aussage der Bundesregierung bislang aussteht. In der Summe bedeutet das für aktuelle Drohnen: ethisch problematisch: wahrscheinlich. Unethisch im Sinne der Kriterien des Humanitären Völkerrechts: nein.

Damit besteht die große Gefahr, dass andere fundamentale Fragen und Probleme – auch, aber nicht ausschließlich ethischer Natur – in der Debatte schlicht ungenannt bleiben. Eine der ganz zentralen ethischen Fragen betrifft die zukünftige Entwicklung. Christian Weidlich hat in seinem Beitrag bereits die militärische Logik hin zu immer mehr autonomen Verhalten unbewaffneter Systeme aufgegriffen. Denn schreitet die Automatisierung unbemannter Systeme weiter voran, ist es absehbar, dass unbemannte Kampfsysteme selbstständig über Leben und Tod entscheiden werden. Dann ändert sich die ethische Bewertung fundamental. Drohnenbefürworter wischen diesen Einwand gerne mit dem Hinweis zur Seite, es werde auch in Zukunft immer ein Mensch die Letztentscheidung über einen Waffeneinsatz treffen. Das gilt für das Pentagon ebenso wie für das deutsche Verteidigungsministerium. Dass diese Position mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aufrecht erhalten werden kann, sobald auch nur die Gerüchte aufkommen, ein anderer Staat versuche sich durch die Einführung von Autonomie in seinen Drohnen einen militärischen Vorteil zu verschaffen, wird ignoriert. Dies ist aber die klassische Logik von Rüstungswettläufen, wie man sie in der Militärgeschichte immer wieder erlebt hat.

Heron-Drohne

Eine Heron-Drohne beim Einsatzgeschwader Masar-E-Sharif der Bundeswehr. Bild von Bundeswehr.Fotos@Flickr

Was in der aktuellen Debatte ebenfalls nicht diskutiert wird, sind die sicherheitspolitischen Folgen des aktuellen Drohnenbooms. Nach US-Aussagen besitzen aktuell bereits 76 Staaten Drohnen. Zwar sind diese meist noch klein und unbewaffnet, aber immer mehr Staaten streben auch nach bewaffneten Drohnen. Und: es muss nicht immer High-Tech sein. Die Militärgeschichte lehrt nämlich, dass nicht zwingend derjenige einen Vorteil erlangt, der eine Waffe als erster anschafft oder das technologisch überlegene System besitzt, sondern der, der es versteht, diese Waffe unkonventionell und überraschend einzusetzen. Es ist also nicht nur damit zu rechnen, dass der Westen sein noch bestehendes Monopol bewaffneter Drohnen in absehbarer Zukunft verliert, sondern es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Drohnen auf eine Art und Weise eingesetzt werden, wie wir sie uns jetzt schlicht nicht vorstellen können. Der amerikanische Drohnenexperte Peter Singer hat einmal die aktuelle Drohnengeneration mit dem Flugzeug der Gebrüder Wright verglichen. Als wenige Jahre später Flugzeuge im Ersten Weltkrieg eingesetzt wurden, konnte sich praktisch niemand vorstellen, welche Zerstörung und wie viel Leid und Tod nur wenige Jahrzehnte später die Bombenkriegsführung gegen Zivilisten bringen sollte. Aber man muss gar nicht so weit in die Zukunft denken. Wie steht es um den oft als zentrales Argument für die Beschaffung genannten Schutz deutscher Soldatinnen und Soldaten, wenn auch der Gegner über solche Systeme verfügt? Was bedeuten bewaffnete Drohnen für die Stabilität schon jetzt hochgerüsteter Regionen? Muss man sich auf Terrorangriffe mit (relativ simplen) Drohnen einstellen, sei es gegen die Zivilbevölkerung oder auch gezielt gegen (westliche) Politiker? Und verführt die Vision eines zumindest auf der eigenen Seite unblutigen Krieges nicht gerade dazu, vermehrt militärische Mittel einzusetzen, weil gerade in westlichen Demokratien die politischen Kosten eines Militäreinsatzes wesentlich geringer sind, als wenn man der Bevölkerung die eigenen Verluste erklären muss? Das sind die Fragen, die eine ernsthafte Debatte mit berücksichtigen muss. Aber hierzu herrscht Schweigen.

Unter dem Strich bleibt festzuhalten: Wer sich heute voreilig für bewaffnete Drohnen ausspricht, bereitet damit einen Weg, der uns blind in zahlreiche gefährliche Unwägbarkeiten hineinführt. Es könnte sich so rückblickend schnell als unerheblich erweisen, dass damals, 2013, Drohnen ja ethisch noch nicht wirklich zu beanstanden waren.

Logo: CC BY-NC-SA 2.0 by Truthout.org

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